Korea #16: Über den Wolken – Stau auf dem Vulkan

19.10.

Heute morgen geht es früh aus dem Bett. Um 6 Uhr klingelt mein Wecker. Ich habe ein Date mit einem Vulkan. Ich besorge mir in dem kleinen Supermarkt um die Ecke noch ein paar Gimbaps für die Verpflegung. Mit dem Bus geht’s dann zum Startpunkt meiner Wanderung. Und wie es Aussieht bin ich nicht alleine auf dem Weg unterwegs. Am Start stehen bereits jede Menge Autos und auch einige Reisebusse. Der Gipfel des Vulkans auf Jeju ist der höchste Berg Südkoreas und da Wandern der Nationalsport Nummer 1 ist reisen viele Koreaner hier her, um auf diesen Berg zu steigen. Ach, und außerdem ist Wochenende. Übrigens sind 80% der Autos auf dem Parktplatz weiß!

Die ersten Meter auf dem Weg stecke ich gleich im Wanderer-Stau. Der Weg ist recht schmal und das Überholen der langsameren Wanderer schwierig. Es geht durch den Wald leicht ansteigend auf Kokosmatten, oder die Wege sind mit Bretterbohlen ausgelegt. Ab und zu steht ein Schild am Wegesrand, auf dem in einer Grafik gezeigt wird, an welcher Stelle des Weges man sich grade befindet und ob der Abschnitt als Easy, Normal oder Difficult beschrieben ist. Bis zum Gipfel sind es etwa 9km. Und der Gipfel liegt etwa 1300m höher auf 2950m höher. Nach etwa 2-3 Kilometern hat sich so einigermaßen die Spreu vom Reis getrennt. Ich habe mich an einigen langsamen Wanderern vorbeigekämpft. Umso weiter es nach oben geht, umso herbstlicher sieht der Wald aus. Nach 3km geht es auch immer steiler bergan. Treppen aus Felsen oder Eisenbahnschwellen mit kleinen und auch mal ganz schön großen Stufen steige ich weiter in Richtung Vulkankrater empor. Und die Treppenstufen sind teilweise ganz schön steil.

Nach etwa 3,5 Stunden habe ich den Gipfel erreicht. Hier oben ist die Hölle los! Hunderte Koreaner und auch ein paar vereinzelte Europäer sind hier oben und schauen in den Kraterschlot, in dem jetzt nur noch ein kleiner See liegt. Es gibt auch hier oben einen “Gipfel-Stein”. Das ist ein großer Felsen mit einer koreanischen Inschrift. Und so ziemlich jeder will ein Foto mit diesem Felsen und sich selbst. Und das heißt Schlange stehen: etwa 200 Menschen stehen ruhig und gelassen auf dem Gipfel in 2000m Höhe in einer Warteschlange für ein Foto mit einem Stein. Na dann hole ich mal mein Mittagessen aus dem Rucksack.

Da ja auch die ganzen Menschen wieder vom Berg herunter müssen, mache ich mich auch bald nach der Mittagspause wieder auf den Weg. Ich wähle aber eine andere Route, da viele Wanderer wieder auf dem gleichen Weg zu ihren Autos oder Reisebussen gehen. Mein Rückweg wurde im Internet bereits als der schönste Weg vom Gipfel beschrieben. Und so soll es auch sein: Die Treppenstufen führen oberhalb der Wolken langsam bergab. Bald tauchen rechts und links des Weges auch wieder ein paar herbstliche Bäume auf. WOW! Das ist wirklich toll: Die Treppe führt kontinuierlich hinab durch den Herbstwald immer den Wolken entgegen. Zu dem Zeitpunkt weiß ich auch noch nicht, dass ich die nächsten 3,5 Stunden nur über Treppenstufen, grobe Felsstufen oder Wege die einem felsigen Bachbett mehr ähneln als einem Weg nur noch bergab gehen werde. Und das geht ganz schön auf die Knie. Aber die Szenerie in diesem Herbstwald ist einfach phantastisch. Über eine Hängebrücke wandere ich von einem herbstlichen Braunton in den Anderen. Und wenige Meter später bin ich in den Wolken. Im Nebelwald. Und ab jetzt verändert sich der Weg: Es geht weiterhin auf steilen Treppenstufen bergab, aber ab hier sind die Holzbohlen nass und schmierig und die Felsen sind matschig und glitschig. Und das geht jetzt so für die nächsten 6 oder 7 Kilometer so weiter. Als ich nur noch 1 oder 2 km vom Ziel, der Bushaltestelle an der Strasse, entfernt bin, verläuft der Weg einige Zeit neben einer eingefallenen Lava-Höhle vorbei. Die  Höhle ist eingestürzt und jetzt eher ein tiefer Canyon, der teilweise mit Moos bewachsen ist. 3,5 Stunden nachdem ich am Kraterrand gestartet bin, komme ich wieder in der Zivilisation an. Am Ende des Wanderwegs wartet nicht nur eine Bushaltestelle, sondern auch ein Campingplatz und ein kleiner Shop. In einem kleinen Häusschen kann man seinen Müll abgeben und auch gleich trennen. Interessant finde ich auch, dass es hier am Endes des Weges Luftkompressoren gibt. Mit dieser Druckluft machen wir Wanderer unsere Schuhe und Hosen sauber um keine Tierchen, Pflanzen oder Samen in andere Gebiete zu “exportieren”.

Ich gönne mir im “Supermarkt” erst mal einen Kaffee und warte dann eine Stunde auf den nächsten Bus. Und der ist schon voll bevor wir mit 15 Wanderern noch in den Bus einsteigen. Aber alle rücken zusammen und es geht wieder zurück in die Stadt Jeju-Si.

Erschöpft lasse ich den Abend mit einem leckeren Sushi und einem Bier ausklingen. Ich werde morgen bestimmt jeden einzelnen Muskel spüren.