10. Februar 2019
Mein Wecker klingelt wieder um 7Uhr. Mein Gastgeber hat mir versprochen, dass er mich zum Busbahnhof bringt. Heute fahre ich mit dem Bus bis zu dem Ort Kottayam. Eigentlich bin ich heute auf die Hochzeit von Kevin und seiner dänischen Frau eingeladen. Ich hatte Kevin während einer Taxifahrt vom Flughafen Kochin nach Fort Kochin kennengelernt. Ich habe gestern Abend die Verbindungen geprüft und ich musste feststellen, dass ich für die Anfahrt etwa 8 Stunden benötige und von dort nach Alleppey weitere 3-4 Stunden. Falls die Busse einigermaßen pünktlich sind. Das ist dann leider doch weiter entfernt als ich dachte. Also geht es über Kottayam nach Alleppey. Die Reise mit dem Local-Bus dauert etwa 3,5 Stunden und führt für lange Zeit in Serpentinen durch die Berge. Zu Beginn gibt es wieder unzählige Tee-Felder zu sehen, und dann wechselt die Landschaft zu einem immer dichter werdenden Wald. Und wieder macht der Bus in jedem Ort einen Halt. Macnhmal auch mehrfach. Da heute Sonntag ist, sind scheinbar auch viele Menschen auf dem Weg in die Kirche. Aus einigen Kirchen bzw aus den Lautsprechern die nach außen gerichtet sind, klingen lautstark die Fetzen der Predigt. Apropos Religion: Im Bus fahren vorne über dem Fahrer gleich drei Religionen auf einem Bild mit, denn dort hängt eine Abbildung von Jesus gemeinsam mit den Hinduistischen Gott Ganesha und einem islamischen Symbol. Dann kann ja nichts schief gehen.
In Kottayam habe ich etwa 1,5 Stunden Zeit, bis meine Fähre nach Alleppey abfährt. Ich werde aber gleich am Hafen von einem jungen Inder abgefangen, der mir als erstes die Abfahrtszeiten der Fähre wie aus einem Lexikon herunterbetet. Und dann erzählt er mir noch, dass er sehr gerne mit Touristen redet und so englisch lernt. Auf meine Antwort, dass ich die Abfahrtszeiten bereits kenne und jetzt nur noch eine kleine Mittagspause machen möchte, zeigt er mir gleich ein Restaurant in etwa 50m Entfernung. „Wir können ja beim Essen ein bisschen über Indien und Deutschland reden“. Ähhh. Bestimmt nicht! Ich lass den jungen aufdringlichen Typen einfach mal sitzen und gehe zum nächsten Streetfood-Stand: Masalla-Tee und ein paar frittierte Bananen und noch ein paar andere Sachen. Dann mache ich es mir in dem kleinen Park am Anleger gemütlich. Kurze Zeit später ist der Typ dann schon wieder da. Jetzt möchte er meine Hobbies wissen und was ich sonst so mache. Ich antworte freundlicherweise. Aber nur ziemlich kurz. Dann zeigt er mir auf seinem Smartphone noch seine Münzsammlung, und dass er Münzen aus der ganzen Welt sammelt. Ob ich ein paar Münzen aus Euro-Land für ihn habe. Ach, daher weht der Wind: Betteln auf hohem Niveau. „Nein danke, ich habe keine Münzen dabei und bin im Moment sehr beschäftigt“. Dann zieht er endlich ab. Bald kommt dann auch die Fähre. Und die nächsten Opfer für den Münzen-Inder. Die Fahrt mit der Fähre kostet 18 Rupees, also etwa 0,22€ und wird etwa drei Stunden dauern. Auf dem Schiff treffe ich auch ein älteres französisches Ehepaar wieder, mit denen ich bereits einige Tage vorher gemeinsam im Bus nach Kumily gefahren bin. Die Fahrt mit der Fähre geht durch die Kanäle der Backwaters in Richtung Alleppey und genauso wie es mit dem Local-Bus abläuft, so hält auch die Fähre an unzähligen Haltepunkten am Ufer. Ich verfolge ab und zu auf dem Smartphone, wo wir gerade sind und wir scheinen auch jeden Kanal rechts und links noch mitzunehmen. Deshalb dauert die Fahrt auch etwas länger. Aber dafür gibt es eine Menge zu sehen. Die Kanäle sind zu einem großen Teil mit Wasserpflanzen zugewuchert und das Schiff muss immer wieder den Rückwärtsgang einlegen um die Pflanzen aus dem Antrieb herauszubekommen. Auf den Pflanzen und Bäumen am Ufer gibt es viele Vögel, die auf der Jagd nach etwas Beute sind. Die Familien, die am Ufer wohnen, können wir beim Waschen oder beim Angeln beobachten. Umso näher die Fähre dem Ort Alleppey kommt, umso breiter werden die Kanäle und dann tauchen auch schon die ersten Hausboote auf. Diese teilweise ziemlich luxuriösen Hausboote kann man hier für mehrere Nächte mieten um mit ihnen auf den Backwaters herumzufahren. Preislich ist das ziemlich weit entfernt von meiner 0,22€-Tour. Aber auch ein paar kleine Boote sind auf dem Wasser unterwegs. Hier werden in einem Kanu auch mal Kühlschränke transportiert.
Im Hostel buche ich mir dann auch als erstes eine Tour mit einem kleinen Boot durch die kleinen Kanäle der Backwaters. Nicht umsonst wird diese riesige Kanallandschaft auch Venedig Indiens genannt. Apropos Hostel: Mein Hostel liegt etwa 10m, ja 10m und nicht 100m, vom Strand entfernt. WOW! Dann nutze ich dann auch gleich mal aus und checke die Wassertemperatur: 29°C Wassertemperatur bei 32°C Lufttemperatur und einem weiten Sandstrand. Es gibt schlimmeres. Zum Feierabend gönne ich mir noch ein Bier mit dem stolzen Namen „British Empire“. Ich hatte allerdings auch schon bessere Biere.