Skandinavien im Winter #19: Unterwasser. Auf dem Wasser. In der Luft.

Februar 2020
Heute morgen geht es als erstes zum Hafen. Heute ist mein letzter Tag in Tallinn und ich möchte meinen großen Rucksack schon einmal am Hafen in ein Gepäckfach schließen. Das Schließfach muss ich mit Bargeld bezahlen! In Dänemark, Schweden und Finnland ging’s problemlos mit der Kreditkarte oder Kontaktlos über das Smartphone. In Finnland wird in einigen Shops oder Restaurants überhaupt kein Bargeld mehr angenommen. Und in Tallinn am Hafen wird keine Kreditkarte akzeptiert. Gut das ich Euromünzen dabei habe. Das Gepäck ist verstaut und auf geht’s zu meinem Sightseeing-Ziel für heute: Das Meeres-Museum. Das Museum liegt etwa 30min Fußweg entfernt und ist 1910 als Hangar für Wasserflugzeuge gebaut worden. Die Halle besteht aus mehreren freitragenden Kuppeln in denen jeweils ein großer Propeller langsam dreht und die Luft zirkulieren läßt. Da ich noch kein Frühstück hatte, organisiere ich mir im Museums-Café ein Croissant und einen Kaffee und schaue von der Museums-Café-Plattform in die riesige Halle. In diesem Museum dreht sich alles um die estländische Schiffahrt, und passend dazu überwiegt die Farbe Blau beim Blick in die Runde. Auf der rechten Seite ist ein großes U-Boot zu sehen und links davon eine Menge Bojen und Segelboote. Der Fußboden eine Etage unter mir ist in Stiel einer Seekarte gehalten mit vielen Linien, Wegweisern und Zahlen beschriftet. Unter der Decke schwebt ein Wasserflugzeug. Mein Audio-Guide erklärt mir als erstes, dass dieses Museum auf drei Ebenen konzipiert wurde: Unterwasser, die Wasseroberfläche und der Luftraum über dem Wasser. Ein tolles Konzept und dabei auch noch absolut logisch. Nach meinem kleinen Frühstück führt mich mein Guide über die Brücke, die die Wasseroberfläche darstellt in das Museum hinein. Von hier oben sehe ich auf dem Grund ein versunkenes Schiff, bzw die Überreste davon. Hier oben auf dem Wasser gibt es Informationen zu Ice-Skating-Booten, Flüchtlingsbooten aus dem 2. Weltkrieg und Segelschiffen, mit denen Esten Olympiasieger wurden. Über Tafeln, von denen einige auch mit Videos erweitert sind, gibt es noch zusätzliche Informationen zum Audio-Guide. Ich bin richtig entzückt, als ich in Höhe des U-Boots stehe und auf dem Display Informationen über den „Alarm auf See“ auswähle. Mein Display zeigt nur an: „Look at the Submarine“. Das mache ich dann auch und auf der dunklen Außenhülle des U-Boots wird ein Zeichentrickfilm gezeigt. Der Film geht über die gesamte Länge des U-Boots und zeigt, wie die Männer zurück ins U-Boot steigen und das Schiff gefechtsklar machen. Die Torpedos werden vorbereitet und der Kapitän schaut durch das Periskop nach Beute. Toll! So ein Multimedia-Erlebnis in einem Museum erlebt man doch eher selten bis gar nicht. An einer anderen Stelle kann man mit dem Geschütz an Deck auf angreifende Flieger schießen. Auch andere Geschütztüme funktionieren noch soweit, dass man sich hineinsetzen kann und den Turm drehen kann. Mein Audio-Guide gibt mir noch die passenden Informationen dazu, dass einer der Türme gekühlt werden musste und dazu Alkohol genutzt wurde, da es nicht gefriert und nicht korridiert. Und falls sich einer der Matrosen an der Flüssigkeit zu schaffen machte, dann war der Matrose „nur“ betrunken und nicht durch irgendeine andere Kühlflüssigkeit vergiftet. Die Wände bzw die Hintergründe sind mit riesigen futuristischen Zeichnungen verschönert, die für sich schon eine tolle Augenweide sind. Natürlich darf mach auch in das U-Boot hineinsteigen. Über den Torpedoraum geht es durch Maschinenräume, Kajüten und die Brücke auch in den persönlichen Bereich des Kapitäns. Er hatte sogar ein Waschbecken aus Porzellan mit einem Wasserhahn für warmes und einem Hahn für kaltes Wasser. Und auch ein eigenes Klo hatte er für sich. Überall im Boot gibt es eine Menge Räder um etwas einzustellen und passend dazu auch noch jede Menge Anzeigen für Tiefe, Geschwindigkeit, Spannung und Strom, und den Druck. Das U-Boot wurde 1936 für die finnische Marine gebaut und später von den Sowjets weiter genutzt. Name LEMBIT. Hier endet die Audio-Tour. Ich steige über eine Treppe hinab auf den Grund des Meeres und orientiere mich Anhand der Seekarte auf dem Boden weiter. Vorbei an einem dutzend verschiedener Seeminen besteige ich ein aufblasbares Rettungsboot. Nebenan, nicht mehr passend zum Meeresgrund, kann ich über einen Flugsimulator ein Wasserflugzeug steuern. Und, ziemlich originell, gibt es hier auch eine Station zum Bau von Papierfliegern. Im Windkanal kann ich verschiedene Windstärken spüren und an Modellen Schiffe über die Ostsee steuern, U-Boote sinken oder aufsteigen lassen und auf der Hand der Druck einer Wassersäule spüren. Ein Museum zum mitmachen und anfassen. Zum Abschluss steige ich noch in ein kleines Kino, dass als U-Boot „getarnt“ ist und mache eine Reise auf den Grund der Ozeane. Nach dreieinhalb Stunden verlasse ich beeindruckt das Museum und muss feststellen: Es gibt noch einen Außenbereich mit richtigen Schiffen! WOW! Es gibt ein ehemaliges Schiff der US-Küstenwache und verschiedene kleine Kriegsschiffe. Das Highlight hier draußen ist allerdings die „Suur Toll“, ein Eisbrecher, der 1913/14 gebaut und in Dienst gestellt wurde und noch mit Kohle und Dampf angetrieben wurde. Ich bin erstaunt wieviel Platz auf diesem Schiff ist. Die Gänge sind so breit, dass man problemlos aneinander vorbeigehen kann. Und der Fußboden ist verfliest! Eine Tour führt auch durch den Maschinenraum vorbei an den riesigen Kohle-Kesseln. Hier wurden täglich zwischen 40-60 Tonnen Kohle verfeuert. Die Männer hier unten mussten bei 40-50°C täglich bis zu 3 Tonnen Kohle bewegen. Und das bedeutet: mit der Hand schaufeln. Das absolute Gegenteil zum Kohleofen ist dann die Offiziersmesse: Hier sieht es richtig edel aus. Ja sogar ein Klavier steht im Raum. Das gehörte damals einfach dazu, als dieses Schiff gebaut wurde. Auch die Kabinen der Offiziere sind edel ausgestattet. Der Kapitän hat sogar zwei Räume und noch zusätzlich eine eigene Toilette und eine Badewanne!
Beeindruckt von diesem Museum mache ich mich am Nachmittag dann wieder auf den Weg zurück zum Hafen. Ab 16.30 kann ich einchecken und ab 17.30 habe ich ein Buffet gebucht. Frisch geduscht stehe ich dann auch auch pünktlich am Buffett. Und es gibt eine Menge zu probieren: verschiedene Sorten Fisch, Salate, Gemüse, Kuchen, Eiscreme,…. Und nach einer Stunde bin ich so vollgefressen, dass ich erst einmal ein Päuschen in meiner Kabine machen muss. Später erkunde ich dann noch das Schiff. Hier auf der „Baltic Queen“ gibt es Platz für 2800 Passagiere. Und die wollen unterhalten werden: Disco, Pub, Bar, Supermarkt, Bingo, Kinderspielplatz und natürlich eine Sauna.