11. Februar 2020
Mein Frühstück bekomme ich heute morgen in einem Café in der Nähe: Bratkartoffeln mit Spiegelei, Salat und ein kleines Schälchen mit Joghurt. Die Bratkartoffeln sind zu einem kleinen Turm arrangiert mit dem Spiegelei on Top. Soll das eine Anspielung auf die vielen Türme der Stadtmauer von Tallin sein? Sieht toll aus, aber die Bratkartoffeln sind schon ein bisschen matschig. Ich habe heute morgen einen festen Termin im Hotel Viru. Bis dort um 11.30Uhr eine Führung durch ehemalige KGB-Räume beginnt habe ich noch etwas Zeit und schlendere bei Sonnenschein und ein paar wenigen Wolken durch die Altstadt. Bei Sonnenschein macht die Altstadt noch mehr Spaß als bei dem gestrigen Regen.
Das Hotel Viru wurde 1972 gebaut und war damals das erste Hochhaus in Tallinn. Prompt zog in die oberste Etage Nummer 23 ein Büro des KGB ein. Einige der Hotelzimmer wurden verwanzt und so konnten Staatsgäste, Prominente, Journalisten oder andere interessante Personen einfach abgehört werden. Ja sogar im Restaurant oder an der Bar wurde mitgehört: Der Brotteller war genauso verwanzt wie der Aschenbecher an der Bar. Die Informationen wurden dann direkt zum Hauptbüro des KGB in der Tallinner Altstadt weitergegeben. Es gab sogar eine direkte Kabelverbindung dorthin. Von hier oben hat man übrigens auch eine tolle Aussicht auf die Altstadt und den Hafen.
Am Nachmittag gehe ich zum „Kiek in de Kök“ Museum. Hier geht es zum einen um die Stadtmauer, die Stadttürme und die Entstehung Tallinns, aber auch um die Gänge der ehemaligen Bastion, die noch erhalten sind. In den Türmen der Umgebung, die über Wege auf der Stadtmauer miteinander verbunden sind wird die Militär-Geschichte Tallins gezeigt: Kanonen, Säbel, Rüstungen. Auch ein Café gibt es hier. Der Kaffee ist allerdings echt schlecht. Schade. Die Aussicht von den Türmen und der Stadtmauer ist dafür umso besser.
Später gehe ich dann in die Bastionsgänge der Anlage. Über feuchte Treppenstufen geht es in den Keller. Die Gänge sind in einzelne Räume aufgeteilt. Man geht von einem Raum in den Nächsten. Passend dazu gibt es einen kostenlosen Audio-Guide für diesen Teil der Ausstellung. Audio-Guides sind eine tolle Sache! Hier unten werden die Geschichten zu der Geschichte der 400 Jahre alten unterirdischen Gänge erzählt: Obdachlose und Punks haben hier unten gelebt, im Kalten Krieg dienten die Gänge als Atombunker, auch wenn sie nicht viel geholfen hätten. Im Zweiten Weltkrieg, als Tallinn von den Deutschen besetzt war, diente die Anlage als Luftschutzbunker. Im 18. Jahrhundert wurden hier unten Gefangene festgehalten.
Nicht weit entfernt von den unterirdischen Gängen liegt das Museum „Vabamu – Museum der Besatzungen und Freiheit“. Hier beginnt die Geschichte mit der Besatzung durch die Sowjets ab 1920. Bereits damals gab es Freiheitskämpfer, die für ein unabhängiges Estland gekämpft haben. Einige sind als Partisanen für Jahrzehnte in die Wälder gezogen. Andere wurden erwischt und kamen in Lager nach Sibirien. Viele haben sich mit dem Leben in der Sowjetunion abgefunden und dennoch eine estländische Flagge im Schrank versteckt. Einige sind auf Booten über die Ostsee geflüchtet und lebten Jahrzehnte im Exil. In Diesem tollen Museum gibt es wieder einen Audioguide, bei dem der Erzähler sehr viel zu Sagen hat über die einzelnen Abschnitte und Räume. Zeitzeugen kommen dabei zu Wort und über Displays kann man selbst interagieren. Auch die Ausstellung bringt es näher, wie es sich wohl in der Sowjetunion gelebt haben muss. Ein Fernseher läuft in einer alten typisch sowjetischen Wohnung, aber auch ein alter sowjetischer Getränkeautomat funktioniert noch, denn man kann sich dort Wasser zapfen. Natürlich darf auch der Zerfall der Sowjetunion und die Unabhängigkeit Estlands 1991 nicht fehlen. Über den Audioguide kann ich mir die Stimmen der verschiedenen Personen anhören, die auf großen Displays gezeigt werden. Sie Erzählen von ihren unterschiedlichen Erlebnissen zu dieser Wendezeit. Am Ende kann ich sogar selbst interaktiv entscheiden, wie ich damals politisch entschieden hätte: soll das neue Estland eine Marktwirtschaft sein? Oder beim Sozialismus bleiben? Welche Sprachen sollen als Amtssprache dienen? Wer soll die estländische Staatsbürgerschaft bekommen? Etwa auch die Russen, die hier seit Jahrzehnten leben? Wie soll das Land regiert werden? Von einem Präsidenten oder von einem Parlament? Das tolle an diesem Museum ist, dass es nicht bestimmt, wie „Freiheit“ auszusehen hat, denn Freiheit hat für jeden Menschen eine andere Bedeutung. Denn ist Freiheit ja das Zulassen dieser unterschiedlichen Meinungen!
Das waren genug Museen für heute. Das letzte Museum „Vabamu“ hat mir besonders gut gefallen. Ich spaziere am Abend noch durch die Altstadt und suche mir ein Plätzchen für ein Abendessen. Gestern hatte ich nicht so viel Glück: ich hatte Hunger und bin in einem Restaurant gelandet, in dem mehr Wert auf das Aussehen und die Arrangierung der Speisen auf dem Teller gelegt wurde, als auf Geschmack und Menge. Sah edel aus, aber die billige Papierserviette bringt’s dann geschmacklich wieder auf den Punkt. Heute entscheide ich mich daher für einen Kebab-Teller. Da kann ja nicht so viel schief gehen. Denke ich mir. Das Essen ist reichlich. Geschmacklich nicht der Hit, aber OK. Serviert wird das Essen auf einer stylischen Metallplatte. Da Metall aber ein guter Wärmeableiter ist, ist das Fleisch dann auch entsprechend innerhalb von wenigen Minuten kalt. Sieht toll aus, funktioniert aber schlecht. Überhaupt, wenn man durch die Altstadt von Tallinn schlendert und einen Blick in die vielen Restaurants oder Cafés wirft, dann stelle ich immer wieder fest: Es wird sehr viel Wert auf das Aussehen gelegt. Oft ist es dann auch mehr Schein als Sein. Ein Schokoladenmuseum entpuppt sich nach dem Betreten als aufgemotzter Schokoladen-Shop.
Mein Frühstück bekomme ich heute morgen in einem Café in der Nähe: Bratkartoffeln mit Spiegelei, Salat und ein kleines Schälchen mit Joghurt. Die Bratkartoffeln sind zu einem kleinen Turm arrangiert mit dem Spiegelei on Top. Soll das eine Anspielung auf die vielen Türme der Stadtmauer von Tallin sein? Sieht toll aus, aber die Bratkartoffeln sind schon ein bisschen matschig. Ich habe heute morgen einen festen Termin im Hotel Viru. Bis dort um 11.30Uhr eine Führung durch ehemalige KGB-Räume beginnt habe ich noch etwas Zeit und schlendere bei Sonnenschein und ein paar wenigen Wolken durch die Altstadt. Bei Sonnenschein macht die Altstadt noch mehr Spaß als bei dem gestrigen Regen.
Das Hotel Viru wurde 1972 gebaut und war damals das erste Hochhaus in Tallinn. Prompt zog in die oberste Etage Nummer 23 ein Büro des KGB ein. Einige der Hotelzimmer wurden verwanzt und so konnten Staatsgäste, Prominente, Journalisten oder andere interessante Personen einfach abgehört werden. Ja sogar im Restaurant oder an der Bar wurde mitgehört: Der Brotteller war genauso verwanzt wie der Aschenbecher an der Bar. Die Informationen wurden dann direkt zum Hauptbüro des KGB in der Tallinner Altstadt weitergegeben. Es gab sogar eine direkte Kabelverbindung dorthin. Von hier oben hat man übrigens auch eine tolle Aussicht auf die Altstadt und den Hafen.
Am Nachmittag gehe ich zum „Kiek in de Kök“ Museum. Hier geht es zum einen um die Stadtmauer, die Stadttürme und die Entstehung Tallinns, aber auch um die Gänge der ehemaligen Bastion, die noch erhalten sind. In den Türmen der Umgebung, die über Wege auf der Stadtmauer miteinander verbunden sind wird die Militär-Geschichte Tallins gezeigt: Kanonen, Säbel, Rüstungen. Auch ein Café gibt es hier. Der Kaffee ist allerdings echt schlecht. Schade. Die Aussicht von den Türmen und der Stadtmauer ist dafür umso besser.
Später gehe ich dann in die Bastionsgänge der Anlage. Über feuchte Treppenstufen geht es in den Keller. Die Gänge sind in einzelne Räume aufgeteilt. Man geht von einem Raum in den Nächsten. Passend dazu gibt es einen kostenlosen Audio-Guide für diesen Teil der Ausstellung. Audio-Guides sind eine tolle Sache! Hier unten werden die Geschichten zu der Geschichte der 400 Jahre alten unterirdischen Gänge erzählt: Obdachlose und Punks haben hier unten gelebt, im Kalten Krieg dienten die Gänge als Atombunker, auch wenn sie nicht viel geholfen hätten. Im Zweiten Weltkrieg, als Tallinn von den Deutschen besetzt war, diente die Anlage als Luftschutzbunker. Im 18. Jahrhundert wurden hier unten Gefangene festgehalten.
Nicht weit entfernt von den unterirdischen Gängen liegt das Museum „Vabamu – Museum der Besatzungen und Freiheit“. Hier beginnt die Geschichte mit der Besatzung durch die Sowjets ab 1920. Bereits damals gab es Freiheitskämpfer, die für ein unabhängiges Estland gekämpft haben. Einige sind als Partisanen für Jahrzehnte in die Wälder gezogen. Andere wurden erwischt und kamen in Lager nach Sibirien. Viele haben sich mit dem Leben in der Sowjetunion abgefunden und dennoch eine estländische Flagge im Schrank versteckt. Einige sind auf Booten über die Ostsee geflüchtet und lebten Jahrzehnte im Exil. In Diesem tollen Museum gibt es wieder einen Audioguide, bei dem der Erzähler sehr viel zu Sagen hat über die einzelnen Abschnitte und Räume. Zeitzeugen kommen dabei zu Wort und über Displays kann man selbst interagieren. Auch die Ausstellung bringt es näher, wie es sich wohl in der Sowjetunion gelebt haben muss. Ein Fernseher läuft in einer alten typisch sowjetischen Wohnung, aber auch ein alter sowjetischer Getränkeautomat funktioniert noch, denn man kann sich dort Wasser zapfen. Natürlich darf auch der Zerfall der Sowjetunion und die Unabhängigkeit Estlands 1991 nicht fehlen. Über den Audioguide kann ich mir die Stimmen der verschiedenen Personen anhören, die auf großen Displays gezeigt werden. Sie Erzählen von ihren unterschiedlichen Erlebnissen zu dieser Wendezeit. Am Ende kann ich sogar selbst interaktiv entscheiden, wie ich damals politisch entschieden hätte: soll das neue Estland eine Marktwirtschaft sein? Oder beim Sozialismus bleiben? Welche Sprachen sollen als Amtssprache dienen? Wer soll die estländische Staatsbürgerschaft bekommen? Etwa auch die Russen, die hier seit Jahrzehnten leben? Wie soll das Land regiert werden? Von einem Präsidenten oder von einem Parlament? Das tolle an diesem Museum ist, dass es nicht bestimmt, wie „Freiheit“ auszusehen hat, denn Freiheit hat für jeden Menschen eine andere Bedeutung. Denn ist Freiheit ja das Zulassen dieser unterschiedlichen Meinungen!
Das waren genug Museen für heute. Das letzte Museum „Vabamu“ hat mir besonders gut gefallen. Ich spaziere am Abend noch durch die Altstadt und suche mir ein Plätzchen für ein Abendessen. Gestern hatte ich nicht so viel Glück: ich hatte Hunger und bin in einem Restaurant gelandet, in dem mehr Wert auf das Aussehen und die Arrangierung der Speisen auf dem Teller gelegt wurde, als auf Geschmack und Menge. Sah edel aus, aber die billige Papierserviette bringt’s dann geschmacklich wieder auf den Punkt. Heute entscheide ich mich daher für einen Kebab-Teller. Da kann ja nicht so viel schief gehen. Denke ich mir. Das Essen ist reichlich. Geschmacklich nicht der Hit, aber OK. Serviert wird das Essen auf einer stylischen Metallplatte. Da Metall aber ein guter Wärmeableiter ist, ist das Fleisch dann auch entsprechend innerhalb von wenigen Minuten kalt. Sieht toll aus, funktioniert aber schlecht. Überhaupt, wenn man durch die Altstadt von Tallinn schlendert und einen Blick in die vielen Restaurants oder Cafés wirft, dann stelle ich immer wieder fest: Es wird sehr viel Wert auf das Aussehen gelegt. Oft ist es dann auch mehr Schein als Sein. Ein Schokoladenmuseum entpuppt sich nach dem Betreten als aufgemotzter Schokoladen-Shop.