Reise nach Jerusalem (Tag 10): Warum wird der Glaube als Rechtfertigung für Misshandlungen und Morde benutzt?

10-09275310.10.2016

Heute geht es in die Westbank. Also nach Palästina. Ich habe eine Tages-Tour bei dem israelisch-palästinensischen Veranstalter Green-Olive-Tours gebucht. Diese Gruppe ist eine Organisation die auch politische Themen anspricht. Unsere Gruppe ist fünf Personen groß und von Jerusalem aus geht es auf der Bethlehem Road in Richtung Bethlehem. Auf dem Weg durchqueren wir die Mauer,  die große Teile Palästinas einschließt. Ich kenne die Reste der Mauer aus Berlin. In Berlin war die Mauer 3,60m hoch. Hier in Israel ist die Mauer etwa 8m hoch!

In Bethlehem erwartet uns unser Guide. Er ist einer der wenigen Christen in Palästina. Aber auch ihm ist es nur selten gestattet Palästina zu verlassen. Unser erster Halt ist natürlich der Ort an dem Jesus geboren worden sein soll. Auch hier steht kein Stall oder eine Krippe sondern eine Kirche. Nein eigentlich sind es mehrere Kirchen in Einer: katholisch, armenisch, griechisch-orthodox und dann gibt es noch weitere Kapellen unterhalb der Kirche in den Fels gehauen. Wir können ein paar Blicke auf eine gerade laufende griechisch-orthodoxe Zeremonie erhaschen. Der Gesang und der Weihrauch benebeln uns ganz schön. In einer der Höhlen unterhalb der Kirche treffe ich auf eine 5. Klasse und die Mädchen lernen als Fremdsprache Deutsch. Das müssen die Mädels gleich mal in der Praxis ausprobieren.

Der nächste Halt ist direkt an der Mauer. Auf dieser Seite der Mauer gibt es eine Menge Graffiti und einige Plakate kleben auf dem Beton. Immer wieder sind Wachtürme zu sehen. Einige sind besetzt, andere nicht. Diese Mauer ist einfach unfassbar und selbst der internationale Gerichtshof hält diese Mauer für einen Verstoß gegen das Völkerrecht!

Wir besuchen ebenfalls ein palästinensisches Flüchtlingslager in Bethlehem. Das Lager hat die UN 1948 eingerichtet und seitdem Leben hier die Familien in winzigen Wohnungen. Auch hier gibt es Graffiti an den Wänden.  Für ein freies Palästina. Aber ebenso hängen hier die Bilder einiger „Märtyrer“ an den Wänden. Das jüngste Bild ist erst wenige Monate alt. Der junge Palästinenser hatte einen Bus und sich selbst in die Luft gesprengt. Und direkt daneben Graffitis für ein friedliches Zusammenleben von Israelis und Palästinensern.  Was für ein Kontrast! Ziemlich extrem!

Wir verlassen Bethlehem und fahren nach Hebron. Auf dem Weg passieren wir immer wieder Checkpoints und jüdische Siedlungen auf palästinensischem Gebiet. Diese Siedlungen führen immer wieder zu Konflikten, da die bisher dort lebenden Palästinenser vertrieben wurden. Die Ultra-orthodoxen Juden berufen sich darauf, dass bereits in der Bibel steht, dass dieses Land Ihnen gehört. Das die arabischen Palästinenser aber ebenfalls seit Jahrtausenden hier leben, und zwar friedlich mit Juden und Christen als Nachbarn, wird ignoriert!

Hebron liegt mitten in Palästina und ein Teil der Altstadt wurde vor einigen Jahrzenten von Ultra-orthodoxen Juden wieder in Besitz genommen. Seitdem werden diese mittlerweile 400 Siedler von etwa 2000 Soldaten beschützt. Wir schauen uns das mal an. Wir beginnen unsere Tour im palästinensischen Teil. Es ist schwer zu beschreiben was wir hier sehen. Auf der Straße spielen palästinensische Kinder. Händler bieten ihre Waren an. Und direkt über ihnen sind Wachtürme der Israelis. Auf den Dächern sehen wir Sandsäcke und bewaffnete Soldaten. Die oberen Stockwerke der Häuser sind von Ultra-orthodoxen Juden bewohnt. Und diese werfen oftmals einfach Ihren Müll auf die Palästinenser unten auf der Straße.  Aus diesem Grund ist auch die Straße mit einem Zaun überdacht um den Unrat fernzuhalten.

Es wird Zeit sich die andere Seite anzuschauen. Wieder geht es durch Checkpoints auf die israelische Seite. Die Straße ist wie ausgestorben. Vereinzelt sind ein paar Männer zu sehen. Jetzt wird klar,  warum die Palästinenser diesen Teil der Stadt „Ghostcity – Geisterstadt“ nennen. Aber auch hier sind immer wieder Soldaten unterwegs. Auch in gepanzerten Fahrzeugen. Und auch hier Graffiti an den Wänden und Plakate. Dieses mal aber aus Sicht der Israelis, die darauf „hinweisen“, dass dieses Land Ihnen gehört und die Araber Mörder seien. Wieder ein extrem. Diesmal von der anderen Seite. In den oberen Stockwerken sind auf dieser Seite die Fenster vergittert. Hinter den Gittern leben Palästinenser deren Eingänge auf der anderen Seite liegen.

Und um dieser Absurdität noch einen drauf zu setzen liegt nur wenige Meter entfernt das Grab Abrahams.  Dieses Grab ist gleichermaßen für Juden wie auch für Muslime heilig. Und der riesige Tempel hat zwei Eingänge: einen für Juden und einen Eingang für Muslime. Wir betreten zuerst den Tempel durch den jüdischen Eingang. Unserem Guide wird der Zugang verwehrt. Er ist zwar kein Muslim sondern Christ, aber Palästinenser dürfen diesen Eingang ebenfalls nicht benutzen. Verrückt. Im jüdischen Teil, der Synagoge, beten einige Menschen durch kleine vergitterte Fenster. In den Räumen auf der anderen Seite stehen große Sarkophage. Später blicken wir aus der muslimischen Seite ebenfalls durch Fenster auf diese Sarkophage.  In diese Moschee darf unser christlicher Guide allerdings mitkommen. Er erzählt uns, wie vor einigen Jahren ein jüdischer Fanatiker in den muslimischen Teil eingedrungen ist und mit einem Maschinengewehr viele Menschen getötet hat.

Was ist los auf dieser Welt? Religionen die den gleichen Gott anbeten, sich die gleichen Heiligtümer teilen….. Warum müssen Extremisten beider Seiten Menschen in den Tod reißen?

In Jerusalem sehe ich immer wieder Soldaten und schwer bewaffnete Polizisten. Einige Soldaten und auch Soldatinnen haben auch auf dem Heimweg ihr Maschinengewehr dabei und fahren mit der Tram oder mit dem Bus. Ja selbst in Shorts, Flip Flops und T-Shirt hängt die Waffe über der Schulter. Es ist schon sehr merkwürdig, wenn neben Dir im Bus jemand mit seinem Maschinengewehr eingeschlafen ist. In die das Maschinengewehr hat einen Namen: Arthur ist in das Metall geritzt.

Warum wird der Glaube als Rechtfertigung für die Ermordung anderer Menschen benutzt?

Diesen Tag der Extreme lasse ich am Abend mit der Lightshow im König David Museum ausklingen. In einer tollen Show wird die Geschichte Jerusalems auf die Mauern des Museums projiziert. Die Show ist wirklich sehenswert!