Skandinavien im Winter #17: Freiheitskampf in Tallinn

10. Februar 2020
Heute morgen weht der Wind ganz schön kräftig als ich mit meinem großen Gepäck die paar Meter zur Fähre gehe. In Mitteleuropa weht ein Orkan mit dem Namen „Sabine“ und die Ausläufer reichen scheinbar bis in die östliche Ostsee. Ich bin früh dran und warte mit anderen Passagieren in der Wartehalle. Um 9.30Uhr bilden sich Warteschlangen vor den Gates. Es wird wohl gleich losgehen, also stelle ich mich einfach mal in einer Schlange an. Einlass ist aber erst um kurz nach 10Uhr. Und prompt schieben sich die Rentner an mir vorbei um die besten Plätze zu bekommen. Aber ich kann auch schieben. Ich ergattere einen Sitzplatz im Bord-Café am Fenster. Auf Deck 7. Das scheint ziemlich weit oben zu sein. Als die Fähre mit dem tollen Namen „XPRS“ ablegt hole ich mir noch einen Kaffee und ein Stück Kuchen. Die Fahrt führt vorbei an den kleinen Inseln und den noch viel kleineren Felsen, die aus der Ostsee herausschauen hinaus auf’s Meer. Die Wellen sind hier draußen schon etwas heftiger. Das Schiff schaukelt ganz schön hin und her und bei manch einer Welle die gebrochen wird, spritzt die Gischt bis zu mir auf Deck 7. zweieinhalb Stunden später erreicht die Fähre Tallinn. Als erstes sind hohe Kirchturmspitzen zu sehen von der Skyline der estnischen Hauptstadt. Auf dem 20min Fußweg zu meinem Hostel bekomme ich bereits einen kleinen Eindruck der Stadt. Die mittelalterliche Altstadt besteht zum größten Teil aus alten Häusern, manche haben nur eine Etage, aber die meisten 3 oder mehr. Viele Häuser könnten frischen Putz und ein bisschen Farbe gebrauchen. Aber insgesamt macht die Altstadt einen gemütlichen ersten Eindruck.
Nach dem CheckIn mache ich mich auf den Weg um die Stadt zu erkunden. Auf dem Domberg möchte ich mir eine russisch-Orthodoxe Kirche und den Dom anschauen, der dem Domberg den Namen schenkt. In der russisch-orthodoxen Kirche ist das Fotografieren leider nicht erlaubt, aber durch die Glastür am Eingang mache ich trotzdem ein heimliches Foto von der wirklich schmuckvollen Kirche: viel Gold, viele Kerzen und Reliquien. Die Domkirche ist leider verschlossen. Heute ist Montag und wie ich feststellen muss, haben am Montag einige Kirchen und die meisten Museen geschlossen. Also mache ich bei leichtem Regen einen Spaziergang zu verschiedenen Aussichtspunkten. Dabei steht mir an einer Stelle eine Möwe als Modell vor der Kamera, als ich im Hintergrund die Altstadt von oben fotografiere. Danke Möwe! An der Stadtmauer entdecke ich eine Gedenktafel an Boris Jelzin, als Dank für die Unterstützung für eine friedliche Unabhängigkeit 1991. Die Stadtmauer ist an vielen Stellen noch erhalten. Ich kann sogar mehrere Türme und die Teile der Stadtmauer besteigen. Nach einer Kaffeepause entscheide ich mich noch ein Museum zu besuchen, welches am Montag geöffnet hat: Das ehemalige KGB-Gefängnis. Es liegt im Keller eines Hauses in der Altstadt und diente ab 1902 erst als Gebäude für die russische Verwaltung, später, während der ersten Unabhängigkeit Estlands 1918-1920 nach der Revolution in Russland diente es den Esten für Verwaltungsaufgaben und als Estland 1920 eine Teilrepublik der UdSSR wurde, wurden hier ehemalige Freiheitskämpfer und Gegner der Kommunisten gefoltert und hingerichtet. Später zog der KGB in dieses Gebäude.
Am Abend habe ich noch ein paar Diskussionen mit meinem Hostel-Host und seinem Mitarbeiter. In meinem Zimmer lassen sich keine Vorhänge zuziehen. Und so kann jeder in mein Zimmer schauen. Mir werden noch für den gleichen Abend Vorhänge versprochen. Aber ich bekomme auch ein Problem mit meinem Bettlaken. Die Matraze ist zu groß für das Laken oder das Laken zu klein für die Matratze. Am Ende bekomme ich ein neues Zimmer und dort dann auch die versprochenen Vorhänge.